Alexander Haindorf

* 02.05.1784 in Lenhausen
† 16.10.1862 auf Gut Caldenhof bei Hamm

Alexander Haindorf, ursprünglich Hirsch‑Alexander ben Nessannel, wurde am 02.05.1784 in Lenhausen, das heute zur Stadt Finnentrop im Sauerland gehört, geboren. Seine Eltern waren der Kaufmann Sendel Hertz und seine Frau Vogel Sophie Seligmann. Seinen ersten Unterricht erhielt er von seinem Großvater und später von einem polnischen Talmudlehrer und erlernte den Beruf eines Schächters. 

Dort wurde er durch Anschel Hertz, der liberale jüdische Obervorsteher der Grafschaft Mark, gefördert. So konnte er seit 1804 als erster jüdischer Schüler das Gymnasium Hammonense besuchen und verließ es im Jahre 1807 mit dem Abitur.

Als im Jahre 1808 im Königreich Westphalen für jüdische Einwohner Familiennamen verpflichtend wurden, wählte er den Familiennamen Haindorf.

Im Jahre 1807 begann er Studium der Medizin, Psychologie, Philosophie in Würzburg bei Johann Jakob Wagner. Zur praktischen Ausbildung besuchte er die Medizinisch-Chirurgische Schule in Bamberg. Dort wurde er bis zur Schließung Ostern 1809 durch A. F. Marcus ausgebildet. Danach hielt er sich vermutlich in Erlangen, ohne Immatrikulation, auf, ehe er im Jahre 18180 seine Promotion an der Universität Heidelberg verteidigte. Seine Habilitationsschrift widmete sich mit der Schrift »Versuch einer Pathologie und Therapie von Geistes- und Gemütskrankheiten«. Damit schuf der Akademiker eines der ersten psychiatrischen Lehrbücher Deutschlands. Während seines Studiums besuchte er auch zahlreiche Vorlesungen anderer Disziplinen, insbesondere interessierte er sich für geschichtswissenschaftliche Vorlesungen.

Ab Sommer 1811 lehrte Haindorf als erster jüdischer Privatdozent in Heidelberg, unter anderem über Psychopathologie und Anthropologie. Sein Antrag auf eine Professur wurde jedoch im Juli 1812 unter anderem abgelehnt, da die Universität noch keine jüdischen Professoren akzeptierte. Er beantragte aus Verärgerung einen zweijährigen Urlaub um sich bei einer Studienreise durch Frankreich, Italien und Deutschland die verschiedenen medizinischen Einrichtungen der Armen- und Irrenanstalten kennenzulernen. Er kehrte jedoch nicht auf seiine Stelle nach Heidelberg zurück.

1815 veröffentlichte der Mediziner die Eindrücke seiner Studienreise in einem Buch. Zunächst hielt er psychologische Vorlesungen in Göttingen als Privatdozent.

1815 trat Haindorf als Lazarettarzt ins preußische Militär ein, wo er zunächst als Lazarettarzt in Wesel diente. Nach seiner Versetzung nach Münster im folgenden Jahr unterrichtete er zunächst an der 1780 gegründeten Universität Münster. Nachdem am 18.06.1818 die Universität Münster zu Gunsten der neu gegründeten Universität Bonn aufgehoben wurde, unterrichtete der der Mediziner zuletzt an der Chirurgischen Lehranstalt in Münster, wo ihm erneut aus religiösen Gründen erneut keine Professur erhielt. Schließlich eröffnete er eine Praxis, die beim westfälischen Adligen sehr beliebt war.

Gemeinsam mit seinem Schwiegervater, dem Hammer Kaufmann Elias Marks gründete er am 28.11.1825 in Münster den »Verein zur Beförderung handwerklicher Bildung unter Juden und zur Errichtung einer Schulanstalt« – die später als Marks‑Haindorf‑Stiftung bekannt wurde.

Die Schule begann im Frühjahr 1826 in Münster, war koedukativ, unterrichtete auf Deutsch und trennte den Religionsunterricht je nach Konfession; bald besuchten auch überwiegend protestantische Kinder die Einrichtung, die einen hervorragenden Ruf genoss und durch den Oberpräsidenten von Westfalen Ludwig von Vincke aktiv unterstützt.

Die Stiftung bildete bis zu ihrer Auflösung durch die Nationalsozialisten 1940 etwa 430 jüdische Lehrkräfte aus und war ein Leuchtturmprojekt liberaler jüdischer Pädagogik in Westfalen und der Rheinprovinz.

Er war ein Anhänger jüdischer Emanzipationsbemühungen. So gehörte er bereits seit 1822 dem »Verein für Cultur und Wissenschaft der Juden« in der der preußischen Hauptstadt an.

Auch außerhalb von jüdischen Organisationen engagierte sich Alexander Haindorf in zahlreichen Vereinen im Münsterland. So wurde er im Jahre 1829 in den Vorstand des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen aufgenommen, zwei Jahre später gehörte er zu den Begründern des Westfälischen Kunstvereins. Er sammelte im Laufe der Zeit 400 Gemälde, Plastiken und Kleinkunstwerke altdeutscher und altniederländischer Meister. Die Sammlung bildete den Grundstock für das Landesmuseum Münster.

Er publizierte populärwissenschaftliche Werke zur deutschen, spanischen, portugiesischen und italienischen Geschichte. Das »Historische Lesebuch für Frauen und Mädchen aus den gebildeten Ständen« war dabei sein erstes pädagogisches Erzählwerk.

Als Haimdorf nach Münster kam, ging er die Ehe mit der 1791 geborenen Sophie Marks ein. Nach der Geburt einer Tochter Sophie starb seine Ehefrau noch im Kindbett. 

Am 16.10.1862 verstarb Alexander Haindorf auf seinem Gut Caldenhof bei Hamm; die Beerdigung erfolgte am 19.10.1862 auf dem jüdischen Friedhof in Münster, nahe dem Grab seiner 1816 verstorbenen Frau Sophie.

Sein umfangreicher Nachlass – Bibliothek und Kunstsammlung – ging über die Familie schrittweise in die Universitätsbibliothek Münster (ULB) und in Museen über.

Alexander Haindorf gilt als Pionier des liberalen Reformjudentums, Verfechter jüdischer Emanzipation, Integration und Bildung durch praktische Schulpolitik und öffentlichen Diskurs über Religion und Wissenschaft.

Werke:

  • Versuch einer Pathologie und Therapie der Geistes‑ und Gemüthskrankheiten
  • Heidelberg: Braun 1811
  • Beiträge zur Culturgeschichte der Medizin und Chirurgie Frankreichs, vorzüglich seiner Hauptstadt
  • Göttingen 1815
  • Geschichte der Deutschen. Ein historisches Lesebuch für Frauen und Mädchen aus den gebildeten Ständen
  • Hamm 1825
  • Jahresberichte des Vereins für Westfalen und Rheinprovinz zur Bildung von Elementarlehrern und Beförderung von Handwerken und Künsten unter den Juden
  • Fortgesetzt 1826–1830
  • Geschichte von Spanien und Portugall. Ein historisches Lesebuch von derselben Erzieherin, Hamm 1830
  • Geschichte von Italien. Historisches Lesebuch für gebildete Leser und Leserinnen, Münster 1834

Normdaten

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