Baiern unter der Regierung des Ministers Montgelas
Baiern, das Vaterland eines Otto von Wittelsbach, der einst lieber Land und Leben aufopferte, als sich zum Spielball eines trugvollen Kaiser herabzuwürdigen, seufz jetz unter der eisernen Zuchtruthe eines Ministers, der, nur halb Baier, schon durch seine Vorältern einer Nation angehört, die stets Deutschland zu verachten und zu unterjochen bemüht war. Daß ein Minister in Nahmen des Königs regiert, dieß ist wohl in der Geschichte keine Seltenheit, daß ein Minister aber verwegen genug ist, jede Zusage seines Herrn, die ohne seine Einwilligung erfolgt, zu vernichten, und sie öffentlich aus dem Grunde zu verweigern, weil sie nicht von ihm verlangt wurde, davon kann man sich täglich und stündlich in München und in ganz Baiern überzeugen. Wenn man daher in Baiern von dem König spricht, so versteht man ganz natürlich darunter den König Montgelas, da von ihm nicht das Wohl, aber desto mehr das Wehe aller Unterthanen abhängt. Daß auch selbst die benachbarten Staaten den nehmlichen Begriff, und die nehmlichen Erfahrungen haben, beweißt die nur zu gut bekannte Anekdote eines benachbarten Fürsten, der dem Baierschen Gesandten bey einer öffentlichen Audienz, die er ihm gab, um das Befinden seiner beiden Könige befragte, und ideser Frage noch eine derbere Auslegung folgen ließ. Nach solchen Prämissen möchte wohl der Titel dieser Schrift
„Baiern unter der Regierung des Ministers Montgelas“
Keiner weitern Erklärung bedürfen.
Baiern war unter der Regierung des letzten Kurfürsten Karl Theodor nicht unglücklich. Dieser Fürst hatte schon vor dem Antritt der Bairischen Regierung als Kurfürst von der Pfalz seine Liebe zu den Wissenschaften und Künsten, und seinen Hang für ein glänzendes Hofleben am Tag gelegt. Als er nach dem Tod des Kurfürsten Maximilian von Baiern, von Manheim nach München zog, brachte er der Nation schon durch die Veränderung seines Regierungssitzes ein großes Opfer. Manheim war damals wegen seines angenehmen Aufenthalts von allen Fremden bescuht, während München noch immer, vorzüglich in Hinsicht des gesellschaftlichen Lebens, in Hinsicht von Künsten und Wissenschaften, sehr weit zurückstand. Der Kurfürst Karl Theodor, der Baiern als den wichtigsten Theil seiner Länder betrachtete, benügte sich aber damit nicht; er, der leicht die angenehmen Tage von Manheim auch nach München hätte verpflanzen können, wusste zu gut die Stimmung seiner neuen Unterthanen zu beurtheilen, als daß er nicht auch dieß Opfer der Regenten-Pflicht gebracht hätte. Er richtete sich nach der Nation, nicht die Nation nach ihm, und dieß ist die Ursache, warum man ihn meistens ganz falsch beurtheilte, und den Karl Theodor der Pfalz in dem Karl Theodor von Baiern nicht mehr wieder erkannte. Baiern behielt unter im seine alte Verfassung, die nebst vielen Fehlern dennoch viel passender und glücklicher als alle neuen Veränderungen war. Er selbst leitete die politischen Angelegenheiten, und wahrlich mit einer Umsicht, die, besonders in den letzten stürmischen Zeiten seiner Regierung, dem Lande entschiedenen Nutzen gewährte. Ohne Oestreichs Freund zu seyn, sahe er doch voraus, daß nur diese Macht allein Deutschland gegen den Französischen Despotismus zu schütezn im Stande sey, Daher im Jahr 1795 seine zweite Verbindung mit einer Oesterreichischen Erzherzogin, daher seine Ausdauer bei dieser Parthei bis an sein Ende. Ein Sohn aus dieser Ehe wäre vielleicht im Stande gewesen, durch die Beibehaltung des alten Systems, dem Schicksal von Deutschland eine andere Wendung zu geben, denn mit ihm wäre Baiern nie von Oesterreich gewichen, wäre nie der Verräther Deutscher Freiheit geworden.Daß auch Kurfürst Karl Theodor manche Blößen gab, daß viele seiner Günstlinge ihre Gewalt missbrauchten, daß sie ihn, vorzüglich in seinen spätern Jahren, zu mancher inkonsequenten Handlung verleiteten, dieß läßt sich keineswegs läugnen; allein wenn auch mancher Missgriff, manche Ungerechtigkeit begangen wurde, so litt doch nicht das ganze Land, nicht alle Stände darunter, und selbst die aufrecht erhaltene Verfassung des Landes machte das allgemeine Unglück unmöglich, weil diese Verfassung der Damm war, an dem der Uebermuth der Günstlinge in den gehörigen Schranken gehalten wurde. Es liegt in der Natur des Menschen, und also auch der Völker, daß man von der Zukunft alles Gute hofft, und in der Gegenwart sich unglücklich fühlt, aber die Zeit, die ihren steten Gang fortschreitet, kehrt manches anders, und jetzo nachdem Karl Theodor beinahe funfzehn Jahre in dunkler Gruft ruht, nachdem ein despotischer Minister die ganze Verfassung ungestürzt, Elend und Jammer über das ganze Land gebracht hat, segnet man das Andenken des alten Kurfürsten, und weint blutige Thränen über die Gegenwart. Baiern hatte unter ihm seine alte Verfassung, die Stände bewilligten die Abgaben, und nahmen sie größtentheils selbst ein. Wenn der Staat Geld bedurfte, so nahmen es die Stände auf, und ihrem Credit war es möglich, diese Gelder gegen billige Zinße zu erhalten, und ihren Obligationen den vollen Werth zu geben. Die Lasten waren, ungeachtet der Französische Krieg sie schon ziemlich erhöht hatte, bei dem Wohlstand des Volks, bei dem politischen Benehmen des Kurfürsten, nicht so drückend; die Verwaltung war einfach, aber eingreifend; man wusste, was man einnahm und ausgab; man hatte weniger Stellen, weniger Diener, mäßige Besoldungen. Der Hof lebte eingeschränkt, und hatte keine unnöthigen Ausgaben. Der Unterthan war wohlhabend, die Stände hatten Credit, der Kurfürst volle Kassen,[1] und Baierns Freundschaft wurde von allen Mächten gesucht und geschätzt.
So war die Lage Baierns, als Karl Theodor im Jahre 1799 von einem Schlagfluß gelähmt, zwar noch einige Tage, aber nach der Meinung der Aerzte ohne Bewußtseyn lebte, und ohne daß sich ein Testament vorfand, seine Länder dem damaligen Herzog von Zweibrücken, und nunmehrigen König Maximilian Joseph von Baiern zurückließ.
Mit dem Regierungs-Antritt dieses Fürsten war auch die Ernennung des Baron von Montgelas zum ersten Staats-Minister verbunden. Ehemals Hofrath zu München, bei der bekannten Illuminaten-Geschichte[2] gezwungen, Baiern zu verlassen, wurde er von dem Herzog Karl August von Zweybrücken aufgenommen, und ging dann in die Dienste des Herzogs Maximilian über, mit dem er nun in einem sehr geänderten Verhältniß, aber noch immer ohne Vermögen und ohne Besitzungen, Baiern wieder betrat. Damals noch unverheyrathet, bezog er eine Wohnung in der Residenz, um seinen Herrn stets unter seinen Augen zu haben. Wenn die äußerliche Gesichtsbildung auch nicht immer der wahre Spiegel des innern Menschen ist, so zeichnet sch doch der falsche heimtückische Charakter des Ministers von Montgelas gleich bei dem ersten Anblick in seinen Zügen aus, und er ist nicht im Stande, den festen Blick eines deutschen geraden Mannes zu erwiedern. Sein Stolz, der gleich Anfangs alles von ihm zurückscheuchte, hat mit der Gründung und mit der Festsetzung seiner Macht immer mehr zugenommen, und übersteigt jetzt alle Gränzen der Glaubwürdigkeit. Geschäfts-Männer von höherm Rang können Wochenlang in München seyn, können Stundenlang im Vorzimmer unter einer Menge von Supplikaten aus den verschiedensten Klassen auf das Stück warten, bis sie endlich nach mehrern Tagen, wenn der Herr Minister seine Tasse Kaffee trinkt, oder seine Parthie Billiard spielt, eintreten dürfen, um vor einer Menge von Gästen dem Herrn Minister nur so im Flug ihre Geschäfte vorzutragen, und von ihm ein gnädiges „es ist schon gut“ zu hören. Direktoren von Kollegien, Räthe oder supplikanten im Vorzimmer, oder im Sommer in der Vorhalle des Landehauses in Gegenwart der Bedienten abgefertigt, und der Uebermuth dieses Despoten geht so weit als die Geduld der Männer, die sich auf diese Art behandeln lassen. Zu dem König kann man das Morgens Frühe schon um Sechs Uhr kommen, und ist einer freundlichen Aufnahme gewiß; aber wehe dem Staatsdiener, oder dem Supplikanten, der es wagt, zuerst zu seinem König zu gehen, um etwas nachzusuchen; er darf dann gewiß seyn, daß nicht nur sein Gesuch unerfüllt bleibt, sondern daß man sich auch nach Jahren noch erinnert, daß er den König dem Minister vorzog. Trotz dem, daß er alle Geschäfte an sich gezogen hat, und nichts ohne sein Wissen in dem ganzne Lande gesehen darf, hat er seine epikuraische Lebnesart nie geändert, denn er lebt nur für sein Vergnügen, und der Staat und die Menschen, die er laut verachtet, sind blos seine Nebenbeschäftigungen. Sich täglich mehr zu bereichern, ausgesucht essen und trinken, spielen, und den Wollüsten auf eine mehr als niedrige Art fröhnen,[3] diese edlen Unterhaltungen rauben die meisten Stunden, und für die Staats-Geschäfte bleiben nur wenige gewidmet. Wir werden dies später unttn, wenn von den Staats-Geschäften selbst die Rede ist, wohl näher bemerken. In seinem Benehmen ganz Franzos, versteht er die Kunst, schöne, glatte, Worte zu sagen, den Staats-Mann den Beförderer von Künsten und Wissenschaften zu spielen, aber in Funfzehn langen bittern Jahren, hat Baiern den Mann wohl kennen lernen, der ein so reiches schönes Land auch bis zur äußersten Stufe des Elends herabstürzte.
Um sich sogleich der Zügel der Regierung zu bemächtigen, wurden alle Minister Karl Theodors verabschiedet, und nur der einzige Justiz-Kanzler von Hertling, als ein alter Mann, blieb an seiner Stelle.[4] Auch die Hofstellen wurden meistens mit neuen Ankömmlingen besetzt, und Baiern konnte sich schon bei den ersten Anstalten der neuen Regierung eben nicht viel Rücksichtnahme auf die Verhältnisse des Landes versprechen.
In den ersten Verordnungen wurden alle Hauptpflegen, Erbämter, alle Anwartschaften, welche die vorigen Kurfürsten auf Güter, Stellen und Pensionen ertheilt hatten, aufgehoben. Wenn auch manche dieser Anwartschaften bloße Vergünstigungen ohne alle Verdienste waren, so war doch ein großer Theil derselben die Folge von mehreren den Staat nützlich geleisteten Diensten, oder Entschädigungen für vorgeschossene Gelder. Ferner wurd ein Normal-Jahr auf ein paar hundert Jahre zurück festgesetzt, und dabei erklärt: daß alle seit diesem Jahr von den verschiedenen Landes-Regenten gemachten Schenkungen von Staats-Gütern an einzelne Familien eingezogen würden, und daß von nun an kein Regent mehr befugt sein solle, unter welch immer für einen titel ein Staats-Gut als Lehen, oder als Eigenthum zu vergeben. Diese Verordnung wurde als Staats-Gesetz angenommen, und alle Mitglieder der verschiedenen Kollegien mussten einen Eid ablegen: selbst gegen den Regenten aufzutreten, wenn er solche Schenkungen machen würde. Alle ehemalige Kabients-Herrschaften, deren Ertrag unmittelbar in die eigne Kasse des Regenten floß, wurden eingezogen, und zu den übrigen Staas-Gütern geworfen, und dem Regenten wurde eine gewisse Summe ausgesprochen, mit der er seine besondern Ausgaben zu bestreiten hatte. Durch die Aufhebung der Anwartschaften, und durch die Einziehung der Schenkungen der vorigen Regenten, war beinahe keine Familie in Baiern, die nicht mehr oder minder einen Verlust erlitt, und die mit diesem Verlust der Regierung sehr abgeneigt wurde. Wie kann auch ein Fürst, der das Ansehen und die Gewalt seiner rechtmäßigen Vorgänger in den Augen des Volks herabsetzt, und die von ihnen ertheilten Belohnungen der Anhänglichkeit und des Verdienstes zurücknimmt, wie kann ein solcher Fürst ähnliche Handlungen von seinen Unterthanen erwarten? Die Menschen bleiben sich immer gleich, und ein Fürst, dem die Macht zu belohnen genommen ist, der wird auch nie auf die Anhänglichkeit seines Volks zählen dürfen. Der neue Minister machte sich durch solche Verordnungen gleich Anfangs in Baiern verhaßt, und setzt dabei seinen Herrn Herunter, der nun ganz des Rechts seiner Vorgänger „Gutes zu thun“ beraubt war. Doch dies war es, was der feine Miniser eigentlich im Schilde führte. Unter dem Sachen einer strengen Haushaltung, wollte er seinen Herrn, dessen gutes Herz in wohl bekannt war, die Hände binden, Güter und Geld zu verschenken, damit er später sich und seine Anhänger mit diesen Gütern nach seiner Willkühr bereichern konnte. Jetzt dankt auch kein Mensch mehr in Baiern an dieses Staats-Gesetz, trotz dem abgelegten Eide; Hunderte von Familien wurden durch die Aufhebung der Anwartschaften, und durch die Einziehung der Güter in Unmuth und Dürftigkeit versetzt, während daß der Minister sich und seine Kreaturen jetzt täglich Staats-Güter für ihr geleistete große und mächtige Dienste mit allen Formalitäten schenken läßt, und sich nicht einmahl die Mühe nimmt, das von ihm selbst erlassene Staats-Gesetz zu widerrufen.
Diesen Verordnungen folgte die Aufhebung des Maltheser-Ordens in Baiern, und die Einziehung seiner Güter, die ehemals den Jesuiten zugehörten, und erst von Karl-Theodor zur Errichtung einer Baierischen Zunge des Maltheser-Ordens verwendet wurden. Diese Einziehung so beträchtlicher Güter schien den neuen, noch ganz ausgehungerten Ankömmlingen eine reiche Beute zu versprechen; allein noch zu neu n den politischen Verhältnissen, hatten sie nicht daran gedacht, daß der Kaiser Paul von Russland, als damaliger Großmeister des Ordens, doch wenigstens daran begrüßt werden sollte, und er nahm es auch wirklich so übel, daß eine Gesandschaft nach Petersburg abgehen, und einen neuen Vertrag daselbst abschließen mußte, vermöge welchen der Maltheser-Orden in Baiern sein ferneres Verbleiben erhielt.
Die neue Regierung konnte, obwohl sie den besten Willen dazu hatte, nicht lgeich Anfangs das politische System, welches Karl Theodor beobachtet hatte, umstoßen, doch ließ die Zurücksetzung des Englischen Gesandten, und der Vorzug des Französischen schon bei den ersten Antritts-Audienzen die Zuneigung zu einer Nation bemerken, bei der man so lange Jahre wie in seinem zweiten Vaterlande gelebt hatte. Ohne Geld, aber mit desto mehr Schulden kam man nach Baiern; dort waren alle Kassen von den Erben Karl Theodors geleert, was war alos natürlicher, als daß man zuerst noch nach Englischen Subsidien haschte, dafür in dem Feldzug von 1800 kaum die Hälfte der bedungenen Mannschaft stellte, und bei der ersten günstigen Gelegenheit mit den Franzosen eine schon längst gewünschte nd verabredete Unterhandlung anknüpfte.
Der Minister Montgelas glaubte, wenigstens den Schein nach, noch nicht alle Ministerien in seiner Person vereinigen zu dürfen, und es wurden daher der alte Herr von Hompesch, der schon ehemals unter Karl Theodor als Finanz-Minister gedient hatte, dessen Andenken aber in Baiern, wegen seiner übertriebenen Härte, nicht sehr beliebt war, von Düsseldorf nach München berufen. Allein der alte Mann kam nur nach München, um dort zu sterben, und als später im Jahr 1808 die Finanzen in der übelsten Lage waren, und der Sohn des Ministers von Hompesch mit dieser Stelle beehrt wurde, um die begangenen Fehler wieder gut zu machen, starb auch dieser plötzlich, bedauert von allen Rechtschaffenen, weil er sich des so sehr bedrückten Landes annahm, und weil er, trotz der fest um ihn geworfenen Schlingen der Frau von Montgelas, doch den Sturz dieses despotischen Ministers würde bewirkt haben. Dieser mag auch wohl seinen Missgriff gefühlt haben, denn außer diesen beiden Versuchen, ließ er sich nie mehr einen Nebenbuhler so nahe kommen, und herrschte lieber selbst, als dreifacher Minister der auswärtigen Angelegenheiten, des Innern, und der Finanzen, und Niemand wagt es ungestraft ihn in die Zügel zu greifen.
Die Landesständische Verfassung von Baiern war dem Minister noch ein Dorn im Auge. Um das nötige Geld zu erhalten, mußte man den Landes-Ständen noch gute Worte geben. Daher setzte man im Stillen, so recht nach dem Beispiel der Jakobiner in Frankreich, akke Federn in Bewegung um die Landständische Verfassung von Baiern in das schwärzeste Licht zu stellen. Ganz Baiern wurde von einer Menge solcher Schriften überschwemmt, die voll von den humanen Gesinnungen der neuen Regierung für Beförderung des Volks-Glücks, für Hinwegräumung der alten Formen und Gebräuche, für Gleichstellung aller Stände etc. waren, und die in so fern ihre Wirkung nicht verfehlten, als sei die Aufmerksamkeit des Volks was sich so leicht äußern läßt, auf die Fehler der alten Verfassung heftete, ohne des Guten zu erwähnen, was bis daher dieser Verfassung zu danken war. Man ließ dem Volk glänzende Vortheile in der Entfernung sehen, an deren Erfüllung man nie dachte; und so wurden alle Partheien in Gährung gesetzt und der Minister hatte desto leichteres Spiel, seine Absichten zu verfolgen, die alte Verfassung immer mehr einzuengen, und der Willkühr und Eigenmacht einen größern Spielraum zu verschaffen.
Wenn auch die ÖAndesständische Verfassung in Baiern den gegenwätigen Verhältnissen nicht mehr ganz anpasste, wenn sie selbst fehlerhaft war, so hätte der Minister Montgelas eben damals, wo so blutige Folgen die unsinnige Zerstörungssucht eines verachtungswürdigen Volks mit dem Fluch der Menschheit belasteten, sich der Worte des in der Bairischen Geschichte berühmten Kaspar Torringer erinnern sollen:
„Gewohnheiten und Gebräuche, Volksklassen und Stammordnungen, die das Reich erkennt, die es von den Teutonen erbte, die zur Rittersitte geworden, die sollen euch verehrlichen, unverbrüchliche Gesetze, und nicht Vorurtheile seyn.“
Und wollte es auch nicht die Autorität dieses alt-bairischen Ritters anerkennen, so hätte er der so belesene Mann, sich doch wenigstens dessen erinnern sollen, was große Männer neuerer Zeit hierüber gedacht und geschrieben haben.
Die Verfassung der Deutschen, und die aller Nordischen Nationen, die sich auf den Ruinen Roms niederließen, war stets ausnehmend frei, und diese kühne, beherzte Völkerschaften, gewohnt an Unabhängigkeit, und gestählt unter den Waffen, wurden mehr durch Ueberredung als durch Gewalt zur Unterwürfigkeit gegen ihre Fürsten bewogen. Der militairische Despotismus, welcher überall im römischen Reich die Oberhand genommin, und vor dem Einbruch dieser Eroberer, den Genius der Menschen gebeugt, und jeden edlen Keim des Wissens und der Tugend erstickt hatte, konnte den kraftvollen Anstrengungen nicht widerstehen; und Europa, wie von einer frischen Epoche an, zeigte wieder die alten Feuerfunken seines Geistes, und warf die niedrige von Willkühr und Gewalt abgedungene Knechtschaft ab, unter der es so lang geseufzt hatte. Die damals erreichten freien Konstitutionen, wenn schon angezapft durch die Anmassungen späterer Fürsten, erhalten doch noch das Gepräge der Unabhängigkeit und gesetzmäßiger Administrationen, die die Europäischen Nationen auszeichneten, und wenn dieser Erdthein höhere Gefühle von Freiheit, Ehre, Recht und Tapferkeit nährt, als der Rest der menschlichen Gattung, so ist es diese Ueberlegenheit hauptsächlich dem Samen schuldig, den jene edelgesinnten Barbaren streuten.[5]
Die Zeiten der Rittersitte sind dahin – dieß aus Meinungen und Gefühlen zusammengebaute System. – Ihm hat das neuere Europa seinen eigenthümlichen Charakter zu danken, ihn das, wodurch es sich in allen seinen mannigfaltigen Regierungsformen durchgängig von den Staaten Asiens, und selbst von den berühmtesten Staaten der alten Welt unterscheiden, und vielleicht zu seinen Vortheil unterschieden hat. Es war dieses System, was ohne Verwirrung in die Gesellschaft zu bringen, den Geist einer edlen Gleichheit erzeugte, und diese Gleichheit durch alle Stufen des bürgerlichen Lebens hindurch führte. Es war dieses System, was Könige zu Gesellschaftern herabstimmte, und Privatleute zu Gefährten für Könige erhob. Ohne Zepter und Ruthe unterwarf es seiner Herrschaft den Uebermuth der Macht und Größe; nöthigte Regenten, sich in das sanfte Joch der gesellschaftlichen Achtung zu schmiegen, zwang finstre Allgewalt, ihre Knie vor den Grazien zu beugen, und machte den unumschränkten Beherrscher, der schon über den Gesetzen thronte, zu einen Unterthanen im Reiche der geheiligten Sitte.
Aber jetzt soll das alles zertrümmert werden. Das züchtige Gewand, welches das Gemählde des bürgerlichen Lebens bekleidete, soll heruntergerissen werden. Alles was die Vorrahtskammer moralischer Gefühle darbietet, der ganze Schmuck der köstlichen Nebenideen, welche das Herz umfasst und selbst der Verstand billigt, weil er ihrer bedarf, um die Mängel unsrer nackten gebrechlichen Natur zu bedecken, und den Menschen in seiner eigenen Schätzung zu heben, - soll als eine veraltete, widersinnige, lächerliche Mode ausgemerzt und verworfen werden.
Wenn der alte Geist der Treue die Seele der Rittertugenden und des Lehnsystems, der, weil er die Fürsten von der Furcht entband, Völker und Fürsten von der misstrauischen Vorsicht der Tyrannei befreite, in den Gemüthern der Menschen ausgelöscht seyn wird: dann wird man Verschwörungen und Mordprojekte durch provisorische Mordbefehle und provisorische Konsiskationen abtreiben, und die lange Schreckenliste finstrer und blutiger Maximen, der einzige Leitstern jeder Macht, der sich nicht auf wechselseitiges Vertrauen im Gebietenden und in Gehorchenden gründet, wird das allgemeinen Handbuch aller Regierungen werden.
Aber dem Minister von Montgelas war es nicht um die Erhaltung alter, deutscher Freiheit, nicht um das Glück eines Volker zu thun, für das er kein Interesse hatte. Sein Plan ging nur dahin, alles, was ihm im Wege stand, zu verdrängen; sich selbst zum Alein-Regenten hinaufzuschwingen; sich und seine erarmte und hungrige Miethlinge durch Raub, Erpressungen und Bestechungen zu bereichern; von Frankreich reichliche Subsidien zu erhalten, um den König in Fesseln zu schmieden, und die Baierische Nation zu entkräften, und dann am Ende das ausgepresste, erarmte Land an den Sieger, gleichviel ob er von der Seine oder von der Düna kommt, gegen neue Schätze zu verkaufen. Dieß war der teuflische Plan, den dieser Bösewicht gleich Anfangs seiner Ministerial-Regierung zum Grunde legte; den er unverrückt bis zu dem gegenwärtigen Momente verfolgte, und der ihm auch bis auf die letzte Katastrophe so vortrefflich gelungen ist.
Durch den Frieden von Lüneville wurde die Ausführung der Absichten des Ministers sehr erleichtert. Baiern erhielt durch selben beträchtliche Besitzungen in Schwaben und Franken, wo keine Ständische Verfassung bei jeder neuen Einrichtung im Wege stand. Das alte Baiern machte nur mehr einen Theil des neuen Staates aus, und man konnte nun schon eher den Ständen trotzen, da man ihrer allein nicht mehr bedurfte. Dazu kam noch die Aufhebung aller Klöster, welche in Baiern einen großen Theil der Landes-Stände ausmachten, und deren Gebiet, Geld und Besitzungen von der größten Wichtigkeit waren.
Eine zweckmäßige Benutzung sowohl der geistlichen Fürstenthümer, als der Klöster, war eine sehr wichtige Finanz-Aufgabe, von deren richtiger Auflösung die Gründung eines dauerhaften Staats-Credits abhing. Es war nicht um die Gegenwart allein zu thun, denn die Zukunft mußte hier um so schärfer ins Auge gefasst werden, als nicht alle Tage solche Erbschaften zu machen waren. Um vorerst zu wissen, was man eigentlich auf eine so leichte Art erhalten hatte, mußte man die ehemaligen Besitzer, die ohnedem unglücklich genug waren, nicht vor den Kopf stoßen, und sich dadurch selbst die Quelle verstopfen, aus der man allein mit Vortheil schöpfen konnte. Bewährte, redliche Männer waren zu diesem Geschäft notwendig, die mit Aufwand und Umsicht das Interesse ihrer Regierung beförderten, ohne die Pflichten der Menschheit aus den Augen zu verlieren. Es ist hier der Platz nicht, die Frage näher zu erörtern: ob es nicht vortheilhafter gewesen wäre, die Klöster noch ferner zu belassen, und sie dem Wohl und dem Nutzen des Staates besser anzupassen? Tausende von Menschen erhielten durch sie Nahrung und Erwerb; die Armuth wurde unterstützt; manches ausgezeichnete Talent den Wissenschaften und Künsten gewonnen; die Landwirthschaft verbessert und veredelt; dem Mittel- und Bürgerstand verschafften sie Gelegenheit Kinder zu versorgen, und von ihnen einst wieder Unterstützung zu erhalten; dem Staate selbst waren sie eine immer offene Kasse, die sich immer wieder zu seinem Bedarf füllte, ohne daß man sich um die Verwaltung bekümmern durfte. Wenn dieß auch nicht bei allen der nehmliche Fall war, so war es doch bei dem größten und wichtigsten Theil derselben, und es hätte nur in der Macht der Regierung gelegen, die unfruchtbaren schädlichen Zweige abzuschneien, und den Hauptstamm immer mehr zu veredeln. Selbst dem Geist der Nation, der noch vielen Werth auf diese großen und wohlthätigen Stiftungen der Vorältern setzte, war man eine Art von Schonung schuldig, die ein kluger und einsichtsvoller Staatsmann nie aus den Augen setzen wird.
Allein hier war ein reiches Feld, um den immer zunehmenden Hunger auf einmal zu stillen. Diese ehemalige Bißthumer, Stifter und Klöster hatten noch kaum ihr trauriges Schicksal erfahren, als schon ein Schwarm von Günstlingen aller Art nach allen vier Weltgegenden ausflog, um diese reiche Beute in Besitz zu nehmen, und für sie zu organisieren.[6] Von bestimmten Grundsätzen, von genauen Vorschriften war hier keine Rede, konnte es auch nicht seyn, nachdem man nur die Absicht hatte, einzelne Individuen zu bereichern, und den Staat um sein Eigenthum zu betrügen. Diese sogenannte Besitznahms- und Organisations-Kommissäre, deren Anzahl mehrere Hunderte betrug, und deren Kommissions-Kosten allein in die Hunderttausende sich berechneten, zeichneten sich vorzüglich durch ein grobes insolentes Benehmen Benehmen aus, und machten darin weder bei dem Bischoff und Reichsfürsten, noch bei dem Prälaten, und Kloster-Bruder einen Unterschied. Man sperrte ihnen plötzlich Küche und Keller, stellte ihre Hofhaltung und Haushaltung ein, versiegelte selbst die nöthigsten Bedürfnisse ihres Anzugs, und forschte mit Banditen-Manieren nach ihren Schätzen. Jahrelang konnten sie das nicht erhalten, was ihnen nach dem Firedens-Schluß gegeben werden mußte, und mancher dieser unglücklichen Menschen, der keine Verwandte oder Freunde mehr hatte, die ihn unterstützen konnten, und den es an Mitteln fehlte, um den Kommissär zu gewinnen, ging vor Gram und Elend zu Grund. Durch dies unbesonnene Benehmen wurde besonders bei den Klöstern dem Staat ein Verlust zugefügt, der gar nicht mehr zu ersetzen ist. In den Klöstern waren alle Zweige der Wirthschaft unter verschiedenen Geistlichen vertheilt. Sie wußten alle Theile ihrr Einnahme genau, rechneten auch jährlich darüber vor dem Prälaten, oder Konvent ab, ohne daß jedoch eine alles umfassende Rechnung des ganzen Klosters und seiner Besitzungen formirt wurde. War aber auch eine solche Rechnung vorhanen, so konnte man sich keineswegs darauf verlassen, weil es das Interesse des Klosters war, stets weniger Einnahme zu haben, und stets etwas von den an den Staat zu leistenden Beiträgen abzuhandeln. Wollte man die ganze Wirthschaftgenau kennen lernen, so mußte man die Individuen, welche sie führten, in das Interesse ziehen, so mußte man sie wenigstens noch ein Jahrlang, unter gehöriger Aufsicht, die Einnahmen besorgen, und eine förmliche Liquidirung aller ihrer Gefälle, Ausstände, Kapitalien und Schluden vornehmen lassen. Durch die plötzliche Auflösung ihrer Aemter, durch die üble Behandlung, der sie ausgesetzt waren, durch die Aufstellung provisorischer Verwalter, welchen alle Verhältnisse fremd waren, ging ein großer Theil der Gefälle, der Ausstände und Kapitalien verlohren, und bis zur heutigen Stunde weiß man, aus Mangel einer nothwendigen Liquidation, den vollständigen Etat dieser erhaltenen Besitzungen nicht. Doch das Hauptaugenmerk der Kommissärs war nur auf den Verkauf aller nur denkbaren Gegenstände gerichtet. Kostbarkeiten, Kirchengeräthe, Pferde, Wägen, Mobilien, Gebäude, Höfe, Aecker, Wiesen, Waldungen etc. wurden nun im ganzen Lande zu gleicher Zeit losgeschlagen, und schon aus der Ursache, weil der Gegenstände zu viele waren, um einen Spottpreis an die Günstlinge und deren Anhänger, und an die Juden, die vollgewichtig waren, wahrhat hingeschenket. Hatten die Kommissärs schon bei der Aufnahme all dieser Gegenstände Tausende gestohlen und vernachlässigt, da man ihnen alles auf bloße Willkühr überließ, so stahlen und betrogen sie nun bei dem Verkauf noch dreimal so viel. Man führte keine Protokolle, schlug die Sache nur dem Begünstigten zu, und sperrte die, welche mehr geben wollten, in die Gefängnisse ein, oder jagte sie mit Schlägen davon. Unmöglich ist es, das Bild dieser ungeheuern Betrügereien nach der Natur asuzumahlen. Nicht genug, daß Baiern durch diese Operationen Millionen verlohren hat, oder mit ihr verschwand auch alle Hoffnung, die Finanzen je in Ordnung zu bringen, und die Anhänglichkeit und die Achtung der Nation wieder zu gewinnen. Was mußte auch die Nation von einer Regierung denken, die auf eine solche schändliche Art das Vermögen des Staats muthwillig verschleuderte, und dabei alle Gesetze der Menschheit, der Ordnung und Sittlichkeit mit Füßen trat. Bei den öffentlichen Versteigerungen maskirten sich die Juden mit dem Gewand der Bischöffe, und spotteten der heiligen Gefäße. Die schönsten Kirchen wurden zerstört, Holz, Eisen die brauchbaren Stiene verkauft, und die Ruine dann zur Schande des Jahrhunderts, und zur steten Rache des Volks liegen gelassen. Selbst die Gegenstände der Künste und Wissenschaften wurden größtentheils, durch die Schlechtigkeit, und noch mehr durch die Unwissenheit der Kommissärs verschleudert und zu Grunde gerichtet. Wenn man nicht einmahl für die Grabstätte der großen Wittelsbacher in der Kirche des Klosters Scheuen hinlänglich sorgte, so kann man sich wohl denken, wie es andern Monumenten der Art erging. Die Geschichte hat dadurch die wichtigsten Dara verlohren, und selbst die Kloster-Archive liegen noch bis jetzt in elenden Winkeln, oder auf Böden der Nässe und Fäulniß ausgesetzt, bei den Eigenthümern der Klostergüter umher, und sollen nun, nachdem sie zehn oder noch mehrere Jahre zerstreut, gestohlen, und gänzlich unbrauchbar geworden sind, in das Archiv des Reichs zurückgebracht werden. Welche zweckmäßige Bestimmung hätte man nicht treffen können, um die schönen Klöster-Gebäude wenigstens größtentheils zum Vortheil des Staats zu verwenden? Priesterhäuser, Lehrinstitute, Krankenhäuser, Kassernen etc. konnten daraus entstehen; aber es war vortheilhafter für die Kommissärs, diese Gebäude an einen Spottpreis zu verkaufen, und nicht selten kaufte sie der Staat alsdann um theures Geld zu seinen Bedarf wieder an sich. Die Invaliden, deren Anzahl sich durch Napoleons protegirende Hand täglich mehret, haben zur Stunde in Baiern noch kein eigenes Gebäude, wo sie wenigstens Ruhe genießen könnten. In München baut man Kassernen, Krankenhäuser etc. mit einem Aufwand von Hunderttausenden, während begünstigte Spekulanten die Klostergebäude daselbst an sich gebracht, und zu ihren größten Nutzen verwendet haben. Die barmherzigen Brüder und Schwestern, ein geistlicher Orden, dessen Zweckmäßigkeit allgemein anerkannt wird, mußte in Baiern aufhören, und noch ersetzt keine Anstalt diesen schmerzlichen Verlust. Der König, wenn er sein Land bereisen will, findet keine eigenthümliche anständige Wohnung mehr, die schönsten Schlösser sind verkauft oder zerstört, und überall findet er die Spuren des Vandalismus, den sein Minister geordnet, und unter den Nahmen Maximilian Joseph, in die Tafel der Geschichte tief eingegraben hat. Der große Zuwachs an Ländern, die ungeachtet der schreienden Betrügereien, dennoch beträchtlichen Summen, welche aus dem Verkauf der Kloster-Realitäten gelöst wurden, hatten leider keine wohlthätige Folgen für Baiern, da seit diesem Zeitpunkt solche Anstalten geschlossen, und solche Ausgaben bestimmt wurden, die selbst die Finanzen der größten Reiche Europas würden erschüttert haben. Die Besoldung eines Ministers wurde von Acht Tausend Gulden auf Zwanzig bis Dreyßig Tausend Gulden erhöht; die Gesandten an den vorzüglichsten Höfen, als in Paris, Petersburg, Wien, erhielten Dreißig und noch mehrere Tausend Gulden, und so die ohnedem zu große Anzahl von Gesandten an den übrigen Höfen ebenfalls erhöhte Besoldungen. Der Minister von Montgelas umringte sich mit einer Schar von Geheimen Referendarien, Geheimen Legations-Räthen, Geh