Beisetzung des Felix Anton Blau Bibliothekars zu Mainz

FELIX BLAU, geboren zu Wallthürn im Jahre 38 vor Gründung der Republik (1754 alt. Styls), ehemals Professor auf der Universitaet zu Mainz bis zum Ersten Jahre, Mitglied der Landesverwaltung und des rheinisch-deutschen Nationalkonvents; Schlachtopfer des deutschen Terrorism´s in der Vestung Koenigstein, vom 2ten bis zum 4ten Jahre, Verfasser des Pariser Zuschauers, und Sekretäre des Justizministers vom 5ten bis zum 6ten Jahrem Richter des preinlichen Gerichts des Departements vom Donnersberg, und zuletzt Bibliothekar der Mainzer Universitaet, starb am 3ten Nivose des 7ten Jahrs, Morgens um 7 Uhr, in den Armen seines Schülers und Freundes Heimberger. So wenig seine Freunde Hoffnung gehabt hatten, ihn laenger unter sich zu sehen, schlug dennoch die Nachricht seines Verlustes ihrem Herzen eine tiefe Wunde. Selbst Leute, welche ihn nicht gekannt hatten, bedauerten den frühzeitigen Tod eines Mannes, der durch seinen moralischen, sanften Karkter selbst die Verlaeumdung entwaffnet hatte, die, als er in Ketten lag, so schmlos an seinem Rufe nagte. Vergebens klagte der Fanatiker, weil er, treu seinen Grundsaetzen, nicht als Heuchler starb; sondern im Hochgefühl seiner Reinheit nur mit dem hoechsten Pharisaeern über seine Handlungen rechnen wollte. Solche Klagen konnte nur dazu dienen, die Wahrheit diesr Grundsätze und die Blindheit ihrer Gegner zu beweisen.

Seine Freunde entschlossen sich, ihm ein Leichenbegaengnis zu feiern, das seinem einfachen, bescheidenen Lebenswandel entspraeche, und wobei die Trauer seiner würdigen Mitbürger, mehr als schnoeder Prunk, die beredeste Verkkündigung seiner Verdienste waere. Man bestimmte den Hof des Universitaetshauses (ehemaligen Seminariums) zum Orte seiner Beerdigung, weil er ehemals in diesem Hause gelehrt hatte, und weil dieser Ort zur Errichtung des ihm bestimmten Denkmals der schiklichste schien. Der Anblik dieses Denkmals ermunterte die vorübergehenden Zoeglinge der Universitaet zur Erwerbung aechter Verdienste um die Menschheit, und überzeuge ihre Feinde, das der Lehrer der Wahrheit auch im Tode nicht aufhoere, ihr warme Vertheidiger und treue Verkünder zu bilden.

Am 6ten Nivose versammelten sich die Freunde des Verstorbenen in seinem Hause. Um 2 Uhr verliessen sie es in folgender Ordnung:

Ein Polizeikommissaire in Amtstracht eroeffnete den Zug. Nach ihm folgen die Akademiker der hiesigen hohen Schule. Von den Professoren der Universitaet wurde die Inschrift getragen, die so sehr auf den Verstorbenen angewendet werden kann: Vitam impendere vero. Vor dem Sarge, der auf einem dreifarbigen, mit Flor umbraemten Leichentuche bedekt war, las man die Inschrift: Durch Grosmuth besiegte er seine Feinde. Zur Seite des Wagens giengen acht junge in in Trauer gekleidete Bürgerinnen mit Cipressenzweigen. Auf dem Sarge lag in einem Eichenkranze BLAUs kritische Geschichte der Unfehlbarkeit der Kirche. Nach dem Sarge folgte die Inschrift: Mit allen Tugenden des Sokrates strebte er nicht nach seinem Ruhm. Nach dieser Kamen seine Freunde Arm in Arm ohne gesuchte Ordnung. Die Kaelte hatte die Trauermusik verhindert, den Zug zu begleiten. Als er im Hoersaale des neuen Universitaetshauses angekommen war, wurde der Sarg auf eine Erhoehung gestellt und aufgedekt. Der edle Todte lag in seiner gewöhnlichen Kleidung mit einem Eichenkranze ganz unentstellt darinn. Seine rechte Hand lag auf seinem menschenfreundlichen Herzen.

B. MULOT, Professor der schoenen Wissenschaften, Regierungskommissaire in Abwesenheit des B. Rudler, bestieg die Bühne und hielt folgende Rede:

Amemus patriam, consulamus bonis, praesentes fructus negligamus, posteritati et gloriae servianus. Id esec optimum putemus, quid erit rectissimum. Speremus quod volumus: sed quod acciderit feramus. Cogitemus denique corpus virorum fortium maginor umque hominum esse mortale: amini vero motus, et virtutis gloriam sempiternam.
CICERO PRO SEST.

»Jeder Schritt in diesem Leben ist ein Schritt zum Grabe – und ich sehe mit gleicher Verwunderung die Menschen sich freuen, bei der Geburt eines Kindes, und seufzen und weinen bei dem Hinscheiden eines ihrer Brüder.«

»Betrachtet man die Sache nur mit philosophischem Blikke – wie unerklaerlich scheint dann diese grundlose Freude bei dem ersten Erscheinen eines Wesens, über dessen künftiger Bestimmung ein dichter Schleier ruht, das dereinst vielleicht die Geisel seiner Mitbürger, die Schande der Menschheit werden wird? Wie unerklaerlich dieser tiefe Schmerz bei einem Ereignisse, das so natürlich und unvermeidlich aus jenem ersten, mit so freudigem Jubel gefeierten Ereignisse fliest?«

»Ich gestehe indess, von diesen beiden Empfindungen scheint mit die leztere eines Philosophen weniger unwürdig, denn sie kann gerade das vom Schiksal gestekte Ziel eines Lebens betreffen, das der Tugend und dem allgemeinen Nuzzen gewidmet war: aber – mit gleichem Freimuth füge ich hinzu – dann sind nicht Thraenen, nicht Seufzer das Opfer, das der erblasste Tugendhafte von uns heischt. Wir sind ihm schuldig, uns zu troesten, über sein Dahinwandern auf immer, durch die Betrachrung seiner Werke, die ihm die Unsterblichkeit errangen in dem Andenken der Welt; wir sind ihm schuldig, sein Dasein zu verewigen, indem wir seinen Beispielen folgen, indem wir sie sammeln, um sie der Jugend als Muster der Nachahmung aufzustellen, und indem wir ihm solche Ehre erzeigen, die zur Ausübung seiner Tugenden entflammt, und zum Streben nach gleich hoher Belohnung.«

»Dank dann Euch, Ihr aufgeklaerten Verwalter des Departements vom Donnersberg, die Ihr im ersten Augenblikke, Da man Euch den Tod des Edlen FELIX BLAU ankündigte, als aechte Würdiger seiner Tugenden und seiner Verdienste ums Vaterland, ihm sogleich der oeffentlichen Dankbarkeit würdig erklaertet und verordnetet, dass sein Name, bei unserm republikanischen Festen, unter dem Namen der Wohltaeter der Menschheit ausdrüklich und besonders genannt werden sollte!«

»Dank auch Euch, seinen Kollegen, die Ihr Euch in diesem Augenblikke Eures erhabenen Berufs dadurch so würdig zeigt, dass Ihr seinen Tugenden huldigt; die Ihr selbst das Gefühl dieses grossen, Zu frühen Verlustes so glükklich zur Befoerderung der oeffentlichen Bildung benuzt!«

»O koennte ich jetzt, da ich als Euer Organ auftrete, seine oeffentlichen und Privattugenden so wahr und so lebendig schildern, dass meine Rede alle Hoerer zur Nacheiferung derselben befeuerte! O, dass ich alle Arbeiten, die BLAU unternahm, um seine Zeitgenossen zu aufgeklaerten und bessern Menschen zu bilden, alle Leiden, die er durldete dieser Arbeiten wegen und weil er so kraeftig zum Triumphe der Freiheit in diesem Gegenden mitwirkte, in ein kraftvolles erschütterndes Gemaelde zusammenfassen konnte, dass seine Verfolger sich schaemen müssten der Schandthaten, die sie auf sein Haupt haeuften; dass seine Freunde sich troesten koennten durch den Ruhm, der ihn ihns Grab begleitet, durch die Ruhe, die der Tod ihm nun gewaehrt vor dem schmaehlichen Behandlungen und den Leiden ohne Zahl, die Neid, Tyrannei und Fanatismus wechselweise über ihn hergossen; dass alle Bewohner dieser Gegenden gezwungen würden, ihre Augen der Wahrheit zu oeffnen, und ihr Herz der Dankbarkeit, und dass dies maechtige Gefühl in die unzweideutigsten Beweise, die Befolgung seiner Lehren und die Nachahmung seiner Tugenden, in ihnen übergienge!«

»Bürger! Einen so hohen Zwek im Auge, widme ich diese Trauerrede dem Andenken eines Mannes, welcher in verschiedenen Lehrstellen auf der Universitaet zu Mainz, und als Mitglied jener muthvollen Versammlung, die die Freiheit an die Ufer des Rheins rief, sich die Liebe und Bewunderung seiner Mitbürger erwarb, eines Mannes, den vor kurzem erst der Regierungskommissaire zum Bibliothekar bei der neu-aufblühenden Universitaet ernannte, um unserm verewigten Forster einen würdigen Nachfolger zu geben.«

»FELIX BLAU wurde im Jahre 1754 in Wallthüren, einem Staedtchen des obern Erzbisthums geboren. Er stammte aus jener Volksklasse, die man, ehe die Gleichheit, die Tochter der Natur und Schwester der Freiheit, in diese Gegenden herabstieg, mit dem Namen des Bürgerstandes bezeichnete. Diese Klasse, von jeher der Schaezbarste und würdigste Theil der Nationen, stand in der glüklichen Mitte zwischen dem versunkenen Poebelhaufen, auf dem die sogenannten Grossen mit Verachtung herabblikten, und jener stolzen Adelskaste, an welcher das Sclavenvolk mit Ehrfurcht hinauf staunte. Eine einfache und unverscrobene Erziehung war die Auszeichnung dieses Standes; Liebe zur Arbeit und Niegung zu Wissenschaften und Kultur seine Vorzüge. Gewoehnlich sezte die Mittelmaesigkeit der Vermoegensumstaende die Menschen dieser Klasse in die glükliche Lage, dass sie frei von dem Drukke des Elends und ungestoert von den Zerstreuungen des Reichthums, sich nach freien Triebe dem Studium und der Ausübung des Tugend widmen konnten, und man muss getehn, dass aus ihrem Schoose die groeste Zahl der Weisen und Gelehrten hervorgegangen ist.«

»Mit allem Eifer benutzte der junge BLAU die Vortheile, die seine Geburt ihm darbot; seine Fortschritte in den Wissenschaften entwikkelten bald die schoensten Hoffnungen.«

»Aber – bei allen Vorzügen hatte der Bürgerstand auch seine Vorurtheile, welche Gewohnheit und der in ihm genaehrte Hang zur Tugend nur noch vermehrte und bestaerkte. Dahin gehoerte, vorzüglich in katholischen Laendern, der Wunsch, unter seinen Kindern einen Priester zu zaehlen: gieng dieser Wunsch in Erfüllung, so betrachtete man ihn als eine Quelle, aus welcher der Seegen des Himmels über die ganze Familie stroemte.«

»Es wird als niemand verwundern, dass der junge BLAU, der nun in Mainz seine wissenschaftliche Laufbahn angetreten hatte, Neigung zum geistlichen Stande fasste, und nach seiner Aufnahme ins bischoefliche Seminar sich ganz dem Studium der Theologie ergab. Gerechte Bewunderung verdient dagegen sein richtiger Verstand und die Gradheit seiner Seele, die ihn aus diesem Studium nur dasjenige schoepfen liessen, was auf das Glük und die Vervollkommnung der Menschheit nuzlichen Einfluss haben kann. Als bald darauf BLAU, in der aufkeimenden Blüthe seines Alters von BENZEL, dem aufgeklaerten Menschenkenner, zu einer philosophischen Lehrstelle an der Universitaet zu Mainz berufen wurde, so bemerkte man bald an dem Geist seiner Vorlesungen, dass dieser Freund der Weisheit, Mitten in den mühsamen und unnebelten Pfaden der Theologie sich nie von seiner Führerin getrrennt hatte; und man erinnert sich noch mit Vergnügen, wie bei Gelegenheit der Einweihungsfeier der von dem Fürsten restaurirten Universitaet, BLAU seine Kenntnisse in einer Schrift enthüllte, worinn er alle Systeme der Alten und Neuen, über die philosophischen Freiheit des Menschen auseinander sezte, und dann sein eigenes auf den überzeugensten und für die Menschheit ehrenvollsten Gründen aufführte.«

»Nur zwei Jahre hatte BLAU die philosophische Lehrstelle bekleidet, als man ihn den Lehrstuhl der dogmatischen Theologie auftrug. In diese neue Laufbahn schien er nur darum geworfen, um sie von den Schlangenkrümmen des Irrthums auf den graden Pfad der Wahrhiet zu leiten. Waehrend er seine Schüler nur dasjenige lehrte, was er nach seinen Grundsaezzen für Wahrheit erkannte[1] verbreiten mehrere Zeitschriften die Resultate seiner gelehrten Forschungen. deren Geist eben so sehr die Aufklaerung verbreiteten, als den Tross der Theologen in Erstaunen sezzen musste. Aber, was ihr Erstaunen auf den hoechsten Gipfel hob, ihre Systeme ganz zu Boden stürzte, war sein denkwürdiges Werk: Über die Unfehlbarkeit der Kirche, in welchem er mit der Fakkel der Kritik in der Hand, unterstüzt von dem trefflichsten Gedaechtnisse und einem unermesslichen Reichthume historischer Kenntnisse, bis in die ersten Jahrhunderte der christlichen Zeitrechnung hinaufsteigt, die allmaehligen Fortschritte dieser Meinung aufdekt und sie gründlich und glüklich bestreitet.«

»Es war ein glüklicher Gedanke, dass seine Freunde, die dies Leichenbegaengniss veranstalteten, dies Werk, die Frucht seiner muthvollen Wahrheitsliebe, im Sarge noch auf sein Herz legten. Mit ungeheucheltem Beifalle stimme ich in diese Huldigung – ein Huldigung, die vergebens die gehaessige Eifersucht durch den Vorwurf zu verkleinern streben wird, dass BLAU, bei Herausgabe des Werks, sich hinter dem Vorhang der Anonymitaet verbarg; als ob das wahre Verdienst in einem schimmernden Namen, und nicht Vielmehr im Verrichten einer grossen muthvollen That bestünde!«

»Der unnatürliche Neid und der tyrannische Fanatismus allein müssen erroethen! Sie waren es, die ihn zwangen, die wohltaethige Hand zu verbergen, mit welcher er es wagte die schimpflicheBinde zu zerreissen, die sie über die Augen des Volks, ihrer Schlachtheerde, zogen.«

»Einzig aus dem reinen Triebe, zum Nuzzen seiner Mitbürger zu wirken, deret vorzüglich, die sich zum Katholicismus bekennen und oefterer mystischen Ceremonien als moralischen Feierlichkeiten beiwohnen, schrieb BLAU jenes andere Werk, worin er, nach seiner genauen Kenntniss des Menschen, deren Sinne man rühren muss, um ihre Herzen zu ergreifen, den glaenzenden Pomp bei kirchlichen Festen vertheidigt und den Wunsch aeussert, dass man durch zwekmaessigere Einrichtung derselben mehr auf die sittlichen Bildung wirken moege.«

»Erhabener, preiswürdiger Zwek eines philosophischen Schriftstellers! Dass sie ihn auffassen und befolgen meogten, die neuen Apostel der aeltesten unter allen Religionen – dieser Religion, deren wesentlichste Lehre es ist, Gott und die Menschen zu lieben, und de, einfach in ihren Dogmen und Geheimnissen, die keine anderer als die der Natur sind, durch ihre Ceremonien die menschen hinleiten muss zur Ausübung moralischer Tugenden, dem einzigen Mittel, sie ihren Mitbürgern nüzlich und der Gottheit angenehm zu machen.«

»Bürger! Ich komme jetzt zu der Reihe von Begebenheiten, welche unserm Kollegen die Unsterblichkeit gaben – Die Franken hatten den Thron ihrer Tyrannen gestürzt. Die Freiheit herrschte auf ihrem Boden, und die Liebe, die sie natürlich einfloest, verbreitete sich zu den anwohnenden Voelkern.«

»Die Erbbestaender usurpirter Thronen fühlten, wie der Scepter ihrer Hand entsank. Sie verschworen sich zu einem Bunde, und athmeten nichts als Krieg, Schlachten und Menschengewürg. Diese sogenannten Vaeter ihrer Unterthanen sannen nur auf Mittel, sie durch einander zu schlachten. Die Grausamsten unter ihnen waren ohne Widerspruch diejenigen, welche die geistliche und weltliche Macht in ihrer Hand vereinigten, und als Fürsten und Priester eine deoppelt furchtbare Despotie ausübten. Der kurfürstliche Pallast zu Mainz wurde die Mordgrube, wo alle diese Verwüster der Menschheit ihre schwarzen Plane ausbrüteten, beschlossen, und die bewaffnete Ausführung derselben betrieben.«

»Aber zum Glükke scheiterten sie. Die Franken raffen sich auf; die Feindeshorden fliehen. Der naemliche Pallast umschliest nun eine Gesellschaft von Freiheitsfreunden, die den Schlupfwinkel Tyrannei sauebern. Der siegende Custine beeschützt ihre wohltaetige Verbindung. Noch mehr – er schraenkt sich nicht auf diese Maasregel der Freiheitsverbreitung ein; er sorgt auch für die Regierung des Landes und geehrt durch seine Wahl, die den Waehlenden selbst zur Ehre gereicht, wird FELIX BLAU ein Mitglied der allgemeinen Landesverwaltung.«

»So trat der edle Mann aus dem Staube der Schule in die Laufbahn der Verwaltung und Politik. Er betrat sie mit reinem Herzen; so durchlief, so verlies er sie. Keiner kann in seinen letzten Augenblikke ihm Verbrechen vorwerfen, oder jene Reichthümer, womit so viel andere im Laufe unsrer Staatsumwaelzung ihre Haende beflekten. Nur die Befreiung seines Vaterlands vom Joche der Sklaverei war das erhabene Ziel seines Strebens. Deinen Schatten rufe ich zu Zeugen, verewigter Forster! Beide wachtet ihr mit eurem würdigen Mitarbeitern, nur für das Glük eurer Mitbürger, und gerührt müssen diese bekennen, dass sie euren Bemühungen, vereint mit den Bemühungen der fraenkischen VolksvertreterRewbel, Merlin, Hausmann das Dekret verdanken, welches sie zu Republikanern schuf.«

»Als Mitglied der rhenogermanischen Convention, welche sich in diesen gefaehrlichen Augenblikken bildete, was für Beweise gab nicht BLAU von Weisheit, Klugheit, Menschenkenntnis, und von dem festen Streben zum Wohl seines Vaterlandes und der Menschheit! Und immer begleitete Muth seine gemeinnüzzigen Rathschlaege.«

»Es war nicht aus Mangel an dieser Tugend, dass BLAU, noch ehe Preussen Mainz einschlossen, um die Erlaubnis ansuchte, sich nach Strasburg zu begeben, und sie erhielt; gerade das Gegentheil, die ganze Kraft, seines Muthes leuchtet aus dem Betragen hervor, das er von dem Augenblikke an zeigte, da er auf der Reise nach dem Orte seiner Bestimmung, zwischen Oppenheim und Guntersblum in die Haende der Feinde gerieth.

Hier, Bürger, beginnt die grausamste Prüfung, die der Mensch bestehen kann, eine Kette der bittersten Leiden und Widerwaertigkeiten. BLAU, so liebenswürdig in seinem Privatleben, so ehrwürdig in seinen oeffentlichen Tugenden, enthüllt im Unglük die ganze Groesse seiner Seele.«

»In Begleitung des Bürgers Arensberger von Kassel wird er von einer preussischen Kohorte ergriffen, ausgeplündert, und mit Ketten belastet, nach Frankfurt geschleppt. In dieser, wegen ihrer politischen Meinungen so lange zweideutigen, Stadt erleidet BLAU von einem blinden, durch Mainzer Flüchtlinge angehetzten, Poebel die empoerendste Mishandlung. Man führt ihn hierauf nach der Vestung Koenigstein, und um die Barbarei auf dem hoechsten Grad zu treiben, zwingt man ihn, den vierstündigen Weg von jener Stadt nach seinem Kerker in anderthalb Stunden[2] zu Fusse zurück zu legen.«

»Tretet herzu, die ihr ihn einst mishandelt habt, ihr verruchten Werkzeuge der Tyrannei! Schaendlicher vielleicht, durch euer knechtisches Kriechen, als die Ungeheuer selbst, deren befehle ihr vollzogt! Tretet her und weidet euch hier an der Frucht eurer Verbrechen. Die Krankheit, die den Edlen uns entrissen hat, ist euer Werk; sie ist die Folge der Mishandlungen, die ich izt schildere. Doch – mit Vergnügen wird amn es hoeren, wie einer wenigstens von diesen Verfolgern der Unschuld, durch das Gefühl des eignen Unglüks getreiben, reumüthig der Tugend huldigte. Es war ein preussischer Major, der in der Blokade von Landau ein Bein verlohren hatte, und sein Schiksal als eine gerechte Strafe des Himmels betrachtete. Unter der Folter der Gewissensbisse flehte er nun das Schlachtopfer seiner Grausamkeiten um Verzeihung, und grosmüthig in seinen Fesseln, zoegerte der tugendhafte BLAU keinen Augenblik sie ihm zu gewaehren.«

»Nach diesem Zuge der Grosmuth unsers Kollegen gegen einen seiner Henker, der eignes Gefühl zur Erkenntnis seines Unrecht gebracht hatte, halte ichs für überflüssg, Euch die ganze Reihe von Leiden zu schildern, die die Barbarei des Kurfürsten ihn, mit sieben Unglüksgefaehrten noch in ein Zimmer von 16 Schuh Laenge und 12 Schuh Breite eingesperrt, dulden liess. Niedrige Rache gegen einen Unterthan, der sich frei erklaert, gegen einen Priester, der die Grundsaeulen der Praelatur angetastet hatte!«

»Viel lieber entwerfe ich Euch das Gemaehlde der Menschlichkeit in seinen Kerkerknechten, wie sie gerührt durch seine edle Resignation, die grausame Haerte des Fürstbischofs taeuschend, dem Leidenden alle Erleichterung verschaffen, die in ihrer Macht liegt; wie sie gleichsam erfüllen, was die Juden von ihrem Daniel erzaehlen, welcher von einem Koenigsbarbaren in eine Loewengrube geworfen, nur zaertliche Liebkosungen von diesen wilden Thieren empfing.«

»Durch Hülfe dieser wohtltaetigen Gefangenwaerter erhielt BLAU nicht nur Zeitschriften, die ihm die Siege der Franken und durch sie seine nahe Befreiung ankündigten, sie erleichterten ihm auch die Mittel mit seinen ihm treu gebliebenen Freunden Briefe zu wechseln. Dieses Glück, so fühlbar schon dem freien Manne den Schmerz der Trennung mildert, ist noch groesser und rührender, wenn es die Leiden der Gefangenschaft versüsst. Wer so glüklich ist, einige von diesen theuren Briefen, diesen Pfaendern der Freundschaft und Tugend des ehrwürdigen Mannes zu besitzzen, der bewahre sie mit heiliger Sorgfalt! Sie werden den Muth staehlen, wenn er in den Kümmernissen des Lebens zu wanken droht. Welchen Geist müssen sie athmen! Welchen Muth müssen sie einfloessen! Da sie von einem Manne kommen, der selbst in dem Aufenthalte des Dunkels und Schrekkens, unter den Dünsten einer Ungluksgenossen verpesteten Luft, unter dem Klaggewinsel, das ihr Elend ihnen entpresst, einen so heitern, so ruhigen Geist behielt, dass er ein interessantes Werk: Ueber die moralische Bildung des Menschen schrieb, welches die frankfurter Pressen, als ob sie die Schmach haetten tilgen wollen, die ihm in den Mauern dieser Stadt wiederfahren war, in schnellen Umlauf brachten.« »Moralische Bildung des Menschen / Welch ein Gegenstand, um die Neugierde aufzuregen und die Verfolgungen der Knechte des Aberglaubens und des Fanatismus noch hoeher zu reizen! Ach! wie haetten sie sein Elend noch haeufen koennen! Aber - sie wurden besiegt durch seine unerschütterliche Standhaftigkeit, und – ich darf es hier laut sagen – die Stelle, die ich bei dem Regierungskommissair bekleide[3], hat mir Gelegenheit gegeben, in einem an denselben gerichteten Memoire das schmeichelhafteste Zeugnis zu lesen, das ein Mann über die Unwandelbarkeit seiner Grundsaezze selbst im Munde derjenigen erhalten kann, die er in ihren eigenen Grundsaezzen angegriffen hat.«

»Endlich erschien das ersehnte Ende seiner Gefangenschaft. Es war natürlich dass derjenige, welcher – ohne hier die Verdienste seiner Leidensgefaehrten in mindesten schmaelern zu wollen – diese Wohlthat am meisten zu verdienen schien, mit dem Auftrage beehrt wurde, ihren Dank bei der National-Convention abzustatten. Die Volksvertreter bei der Rheinarmee ernannten wirklich BLAU zu dieser ehrenvollen Sendung. Mit welchem Eifer er sich dieses Auftrags entledigte, kann am besten Winkelmann von Worms, sein Begleiter bei dieser rühmlichen Veranlassung, bezeugen. Wie die Würde des freien Mannes in allem, was er sprach, mit der Waerme der Dankbarkeit sich vereinte! Einen beredtern Dollmetscher ihrer Empfindungen haetten die Patrioten von Mainz nicht wünschen koennen.«

»Blau hatte jetzt das Geburtsland der europaeischen Freiheit betreten; er wünschte einige Zeit darin zu verweilen. Diese Empfindung war natürlich; man athmet so gern Lebensluft. Ueberdies war Mainz von preussischen Truppen besezt; dorthin konnte er nicht zurückkehren. – Unmoeglich konnte ein Mann, der selbst im Kerkern die nützlichsten Werke entwarf, in Paris, diesem Mittelpunkte der Wissenschaften und Menschen, die sich ihnen widmen, sein Leben in unthaetige Ruhe begraben, wenn auch die lange Kette der schmerzhaftesten Leiden diese Ruhe entschuldigt haben würde.«

»Er arbeitete in dieser Zeit[4] an dem Pariser Zuschauer, einer Zeitschrift, vermittelst welcher die Regierung die Bewohner derjenigen Departemente, in welchen die deutsche Sprache mehr im Gebrauch ist, über ihr wahres Interesse aufzuklaeren suchte. Auch schrieb er damals jenes lichtvolle Werk, worinn er alle seit der Revolution in Frankreich über Religionssachen gegebenen gesezze auf der Wagschale der Kritik wog, worinn er mit bewundernswürdigem Muthe die Graenzen bezeichnete, in welchen die Gesetzgeber sich haetten halten müssen, um nicht auf der einen Seite das Ansehen der Gesezze in Gefahr zu stellen, oder auf der andern die Gemüther zu erbittern. In Wahrheit das Werk eines Weisen, der nichts sieht und nichts will, als was die von Leidenschaften und Verurtheilen entfesselte Vernunft befiehlt! Mit welchem reinen Vergnügen muste unser Kollege in den letzten Monaten seines Lebens sehen, dass dasjenige, was er von den Gesezgebern verlangte, von dem Regierungskommissair in unsern Gegenden wirklich ausgeführt wurde! dass dieser jedem die vollkommenste Freiheit seiner Gottesverehrungen liess, und sie nur in die Tempel einschraenkte, wohin sie gehoeren; dass er die Gesezze über diesen Gegenstand nur stufenweise, in Verhaeltnis, wie die Gemüther zu ihrer Annahme vorbereitet waren, in Ausübung brachte; und dass er endlich durch dies philosophische und weise Verfahren die neuen Departemente vor der Flamme des Aufruhrs bewahrte, welche der Fanatismus, aufgereizt von unsern unversoehnlichen Feinden, in den benachbarten Departementen entzündet hatte.«

»Diese Sympathie der Weisheis und Klugheit leitete auch ohne Zweifel die Wahl des Regierungskommissairs auf den Bürger BLAU, bei der Besetzung der Staatsaemter, indem er ihn anfangs zum Richter, und nachher, bei der Organisation der oeffentlichen Schulen zum Bibliothekar in Mainz ernannte.«

»Euch rufe ich auf, Ihr Mitglieder des Tribunals dieses Departements, uns zu sagen, mit welcher Rechtschaffenheit er das erstere Amt verwaltete, mit welchem Treffenden hellen Blikke er zur Abfassung Eurer Urtheilssprüche mitwirkte!«

»In Ansehung seiner Stelle als Bibliothekar, gaben seine ausgebreiteten mannichfaltigen Kenntnisse, der Anfang, den er schon in Paris in dieser Art von Beschaeftigung in der Zeit gemacht hatte, da man die litterarischen Schaezze, die die Revolution in die Hanede der Nation gos, sammlete und ordnete[5], die gegründetste Hofnung, dass er sich in dieser neuen Laufbahn ausgezeichnet haben würde. Aber sein durch so manche Leiden zerrütteter Koerper schien seine nahe Aufloesung anzukündigen; und wirklich wurde durch eine sehr schmerzhafte Krankheit, die Folge sener ausgestandenen Mishandlungen, der Edle selbst und diese schoenen Hofnungen uns zu früh entraft. Der Tod des tugendhaften und gelehrten Mannes ist immer ein Raub an der Gesellschaft, die er verschoenerte.«

»Kein Zeitpunkt im ganzen Leben giebt richtigere und sicherere Aufschlüsse über die Tugenden der Sterblichen, als die entscheidende Epoche der letzten Augenblike; dann erwachen bei schwachen Menschen die alten Vorurtheile, in ihrer ganzen Staerke, und nur zuoft verlieren sie durch einen schimpflichen Rückfall in dieselben den Ruhm, den sie durch eine Reihe von Jahren sich erwarben.«

»FELIX BLAU war über diese kindische, entehrende Wandelbarkeit erhaben. Vergebens wurde er durch mancherlei Künste versucht, die philosophischen Grundsäzze, die er gelehrt hatte, durch irgend eine Privathandlung zu widerlegen. Unerschütterlich in seinem System wankte er keine Augenblik; er verlangte im Steren keinen anderen Trost, als das FELIX BLAU war über diese kindische, entehrende Wandelbarkeit erhaben. Vergebens wurde er durch mancherlei Künste versucht, die philosophischen Grundsäzze, die er gelehrt hatte, durch irgend eine Privathandlung zu widerlegen. Unerschütterlich in seinem System wankte er keine Augenblik; er verlangte im Steren keinen anderen Trost, als das Bewustsein eines vorwurfsfreien Gewissens, und kein anderes Glück, als in den Armen der Freundschaft zu entschlummern.«

»An Euch wende ich mich jetzt, die Ihr seine lezten Seufzer aufhengt, an deren Brust sein ermattendes, sinkendes Haupt sich lehnte, die Ihr mit heilender Kunst sein nüzliches Dasein zu verlaengern Euch bemühtet, die Ihr taeglich mit erleichternder Hilfe ihm nahret! Ihr koemmt die himmlische Geduld uns schildern, die er unter den folterndsten Schmerzen

einer qualvollen Krankheit noch zeigte. Kommt und vollenedet hier das Gemaehlde seiner Tugenden durch Züge, die ich nicht so treu und so lebendig hinzufügen kann, als Ihr!«

»Mein Zwek ist erfüllt. Ich schilderte Euch FELIX BLAU im Tugendkranze der Kindheit, der Jugend, des Maennlichen Alters. Die Zierde jeder Stelle, die er im Laufe seines Lebens bekleidete, gross unter den Streichen des Unglücks, groesser noch bei der Annaeherung des Todes hinterlaesst er der Welt die erhabensten Lehren, das schoenste Vorbild der Tugend und Weisheit. Ewig leben wird er im Andenken der Menschen; und dreimal glücklich, wenn er aus dem Schose der Gottheit, wo der Tugendhafte ausruht von den Mühen des Lebens, auf dem Boden, den er verschoenerte, die Tugenden wieder aufblühen sieht, von welchen der Tod, indem er ihn uns entriss, einen Stamm nur zerknikken konnte.«

Als der Redner geendet hatte, begann eine Trauersymphoniem B. Neeb, Professor der Philosophie und Moral, trat auf die Rdnerbühne, und sprach folgendes:

Bürger!

Erhabenen Geistern, denen das Schiksal für ihre Thatkraft einen weiten Wirkungskreis bestimmt hat, errichtet die Geschichte eine Pyramide der Unsterblichkeit. Dem Manne, der in engeren Bezirke bürgerlicher Verhältnisse seinen Brüdern durch Wort, That und Beispiel nuzte, streuet die dankbare Freundschaft einige Thraenen benezte Blumen auf sein Grab, waelzt einen Denkstein darauf, gehet schweigend davon; und bewahrt das Bild des Tugendhaften im Heiligthume ihres Herzens.

Das Leben des Mannes, gegen den diese traurige Pflicht der Freundschaft zu erfüllen, wir eben versammelt sind, war von dieser Art; ohne Geraeusch und Glanz; aber durchaus der Wahrheit und Tugend geweiht.

Um das Andenken seines Todes würdig zu feiern, haben wir einige hervorstechende Züge aus dem Gemaelde seines Lebens heraus, ein einfacher schmukloser Blumenkranz auf seinen Todtenhügen!

»FELIX BLAU war zu Wallthüren, einem churmainzischen Stadtchen, im Jahre 1754 geboren. Seine Eltern waren bürgerlichen Standes, doch vermoegend genug, ihrem Sohne eine Erziehung zu geben, die der Anlage seines Geistes angemessen war. Seine hoeheren Studien begann und vollendete er auf hiesiger Universitaet, und der Saamen der Wissenschaft, der in seinem Kopfe einen so ergiebigen Boden fand, brachte wenige Jahre darauf an demselben Orte tausendfaeltige Frucht. BLAU war zu seiner Zeit die Blume der akademischen Jugend, bald darauf eine ausgezeichnete Zierde im Kreise oeffentlicher Lehrer.«

»Seine erste bürgerliche Bestimmung erfüllte er zu Aschaffenburg als Diener der Religion; er bildete das Volk auf dem Wege des Evangeliums zur Moralitaet, und lehrte durch sein Beispiel; er gewann die Herzen seiner Gemeinde, und empfand an der guten Wirkung seiner Lehre die Freude einer edlen Selbstbelohnung.«

»Damals ha

Quelle:
Anonym: Beerdigung des Bürgers Felix Anton Blau Bibliothekars der Universität zu Mainz am VI. Nivose VII. Jahrs der Französischen Republik, Mainz 1799

Das Werk wurde freundlicherweise durch die StadtBibliothek Koblenz (http://www.stb.koblenz.de) zur Verfügung gestellt. Die Übersetzungen der französischen Gedichte wurden freundlicherweise durch die Firma beo Gesellschaft für Sprachen und Technologie mbH, Kupferstraße 36, 70565 Stuttgart (http://www.beo-doc.de) realisiert.