Tomasz Wawrzecki
* 07.03.1753 in Widze Łowczyńskie
† 05.08.1816 in Warschau

Tomasz Wawrzecki wurde am 07.03.1753 in Meikštai im Großfürstentum Litauen als Sohn von Tadeusz Aleksander Wawrzecki und der Barbara Tyzenhauz geboren. Es gibt auch Quellen, die das Jahr 1754 oder 1759 als Geburtsjahr angeben. Er stammte aus dem polnisch-litauischen Adel und führte das Wappen Rola.
Früh entschied er sich für eine juristische Laufbahn und war in den 1770er und 1780er Jahren wiederholt als Richter im litauischen Tribunal tätig.
Als Abgeordneter im Vierjährigen Sejm (1788–1792) engagierte sich Wawrzecki in der patriotischen Reformbewegung und unterstützte die Verfassung vom 03.05.1791, die eine konstitutionelle Monarchie und politische Modernisierung Polens anstrebte.
1794 schloss sich Wawrzecki dem Aufstand unter der Führung von Tadeusz Kościuszko gegen die Fremdherrschaft Russlands und Preußens an. Als General kommandierte er Truppen im Großfürstentum Litauen und Kurland. Trotz widriger Umstände versuchte er den Widerstand zu organisieren und russische Vormärsche zu verzögern, blieb jedoch militärisch erfolglos.
Nach Kościuszkos Niederlage in der Schlacht bei Maciejowice am 10.10.1794 und dessen Gefangennahme wurde Wawrzecki am 12.10.1794 zum Oberbefehlshaber der Nationalstreitkräfte ernannt.
Er übernahm das Kommando in einer ausweglosen Lage: Die Moral der verbleibenden Armee war aufgrund von militärischen Niederlagen entsprechend demoralisiert und bedingte Massendesertationen. Die Versorgungslage der Armee war katastrophal und die Disziplin der Armee erreichte einen Tiefpunkt. Hinzu kam, dass dem neuen Oberbefehlshaber die notwendige militärische Erfahrung fehlte.
Die drohende Belagerung Warschaus durch feindliche Kräfte stand bevor. Um der polnischen Hauptstadt das Schicksal Pragas zu ersparen, verließ der neue Oberbefehlshaber am 08.11.1794 mit 9 – 10.000 Mann die Stadt.
In Praga masakrierten russische Truppen unter dem Oberbefehl des Generals Suworow 20.000 Zivilisten nach der Kapitulation. Auch drohte der Stadt die totale Vernichtung durch Artilleriebeschuss der Belagerer.
Ihm schlossen sich die verbleibenden Truppenverbände an, die die westlichen Zugänge nach Warschau verteidigten. Er unternahm den Versuch die Armee in die Region Kielce zu überführen. Diese Gebiete waren von den Kampfhandlungen bisher weniger betroffen. Er wollte den Kampf gegen Russen und Preußen nach dem Winterbiwak 1794/95 erneut aufnehmen, nachdem er die Truppen regeneriert und reorganisiert hatte.
Pläne die Armee über Süddeutschland ins revolutionäre Frankreich zu führen, um den Kampf für ein unabhängiges Polen zu führen, scheiterte an der demoralisierten Stimmung der Aufständischen. Obwohl Verbände, wie die von General Dąbrowskis im Kampf geschlossen blieben, desertierte ein Großteil der Armee, geschockt durch Berichte Überlebender des Masakers von Praga. So zweifelten auch die Generäle Antoni Madaliński und Benedykt Kołyszko den Sinn weiterer Kämpfe an Und verließen die Armee.
Die Armee löste sich innerhalb weniger Tage auf: Am 06.11.1794 musste General Romuald Giedroyc, der den Aufstand weiterhin treu blieb, die Auflösung mitteilen. Am folgenden Tag existierte die Division des Generals Poniatowski nicht mehr.
Am 15.11.1794 meuterten Angehörige der 2. Großpolnischen und 1. Kleinpolnischen Nationalen Kavalleriebrigade in Końskie. Sie nahmen die Militärkasse an sich und kehrten nach Hause zurück. Die Brigade von Piotr Jaźwiński löste sich am Abend auf. Gleichzeitig setzte der russische General Fjodor Denissow der sich in Auflösung befindlichen aufständischen Armee mit seinen Kosaken weiter zu.
Am 16.11.1794 erklärte der polnische Oberbefehlshaber, auf Grund der hoffnungslosen Lage seiner in Auflösung befindlichen Armee, beim Dorf Radoszyce die Kapitulation. Die letzten polnischen Verbände legten am 18.11.1794 die Waffen nieder.
Wawrzecki wurde von russischen Truppen gefangengenommen und nach St. Petersburg gebracht. Nach dem Tode Katharinas II. wurde er im Jahr 1796 aus dem Gewahrsam entlassen.
Nach seiner Freilassung und einem vorübergehenden politischen Rückzug wurde Tomasz Wawrzecki im Zuge der napoleonischen Neuordnung Mitteleuropas erneut aktiv. Im 1807 gegründeten Herzogtum Warschau, einem Satellitenstaat Napoleons unter der nominellen Herrschaft des sächsischen Königs Friedrich August I., wirkte er als juristischer Berater und politischer Vermittler, ohne jedoch ein politisches oder öffentliches Amt zu übernehmen.
Obwohl er keine offizielle Führungsposition bekleidete, war er Teil des erweiterten politischen Beraterkreises. Insbesondere setzte er sich für die Wahrung polnischer Rechtstraditionen innerhalb des französisch inspirierten Kodifikationsprozesses (z. B. Code Napoléon) ein. Nach dem Rückzug der Franzosen 1813 trat er in die provisorische Regierung des Landes ein.
Nach der Gründung des Königreichs Polen durch den Wiener Kongress 1815 übernahm Wawrzecki den Vorsitz in der Regierungs-Kommission für Justizangelegenheiten. Damit war er de facto Justizminister des neuen Kongresspolens unter russischer Oberhoheit. In dieser Funktion bemühte er sich um die Fortführung altpolnischer Rechtstraditionen und sprach sich gegen die vollständige Übernahme französischer oder russischer Normen aus.
Er trat für die Anwendung der litauischen Statuten ein und vertrat konservative Positionen, die besonders im Adel Zustimmung fanden. Gleichzeitig suchte er den Ausgleich mit der russischen Oberherrschaft, um den polnischen Einfluss auf die Justizgestaltung zu bewahren.
Wawrzecki wurde für seine Verdienste mit mehreren hohen Ehrenzeichen ausgezeichnet. So wurde er im Jahre 1791 zum Ritter des Weißen Adlerordens, nachdem er bereits seit 1787 Ritter des Sankt Stanislaus-Ordens war, ernannt. Diese Auszeichnungen belegen seine herausragende Stellung im polnisch-litauischen Staatswesen.
Tomasz Wawrzecki starb am 05.08.1816 in Vidzy im damaligen Vilnius-Gouvernement des Russischen Reiches.
In der polnischen Erinnerung gilt er als integre Persönlichkeit, die in einer Zeit des politischen Zerfalls Verantwortung übernahm. Als letzter Oberbefehlshaber des Kościuszko-Aufstands sowie als konservativer Staatsmann der Übergangszeit bleibt er eine bedeutende Figur der polnischen Unabhängigkeitsgeschichte.