Johann Salomo Semler
* 18.12.1725 in Saalfeld
† 14.03.1791 in Halle/Saal

Der spätere Theologe Johann Salomo Semler entstammte einer pietistischen Familie aus dem thüringischen Saalfeld. Sein Vater Matthias Nicolaus Semler, der im Jahre 1755 als Superintendent starb, war Archidikonus.
Die notwendige Vorbildung erhielt der junge Mann im Elternhaus und am Saalfelder Gymnasium. Er studierte ab 1744 in Halle/Saale Theologie. Sein Entschluss an die Universität Halle/Saale zu gehen war nicht nur vom Rufe eines Christian Wolff (1679-1754) oder Baumgartens (1706-1757) bestimmt, sondern gerade in pietistischen Kreisen vom Rufe des Waisenhauses, wo der Student zunächst auch seinen Wohnsitz hatte. Er schloss sich schnell Professor Baumgarten an, der die Wolffsche Aufklärungsphilosophie auf die Religionslehre übertrug. Am Ende seiner Studienzeit disputierte er unter Vorsitz seines Lehrers Baumgarten über die vornehmsten Lesearten des Neuen Testaments. Er wurde zum Magister der Philosophie berufen.
Noch im selben Jahre erhielt Semler eine erste Anstellung als außerordentlicher Professor am Gymnasium zu Coburg, obwohl er dort mit der Redaktion der »GND:"important">Coburger Zeitung« betraut wurde. Doch schon im folgenden Jahr konnte er eine Professur für Geschichte und Poesie in Altdorf übernehmen. Im Jahre 1752 rief sein alter Lehrer und väterlicher Freund Baumgarten ihn zurück nach Halle/Saale wo ihm eine theologische PRofessour übertragen wurde. Im Jahre 1753 erwarb er in Altdorf noch die Würde eines Doktors der Theologie.
Seit Oktober 1752 bis zu seinem Tode im Jahre 1791 gehörte der Doktor der Theologie Johann Salomo Semler der Universität Halle als Lehrer an. Zunächst wandelte der junge Theologe auf den Spuren seines Lehrers Baumgarten, der bereits mit Erfolg eine aufgeklärte Lehrweise in die Theologie einführte. Dies gelang ihm, indem dieser die Philosophie Wolffs auf die Theologie übertrug. Erst nach dem Tode seines viel bewunderten Lehrers im Jahre 1757 gelang es Semler, sich auch einen eigenen Ruf als angesehener Theologe zu verschaffen. Etwa um das Jahr 1780 musste Semler jedoch erleben, dass seine Thesen selbst durch radikale Aufklärer überholt wurden und im Bewußtsein seiner Zeitgenossen in Vergessenheit gerieten.
Erst durch Semler wurden auch die wissenschaftliche Methoden in der exegetischen und historischen Theologe eingeführt. Bis zu jenen Zeitpunkt sahen die orthodoxen evangelischen Theologen die Heilige Schrift und die Dogmen als fertige Größen an, denen wandellose göttliche Autorität zukäme.
Semlersneue Mehtode sah vor, dass der Bibeltext kritisch analysiert werden solle. So bezog der Theologe eine eindeutige Position gegen die Thesen der christlichen Orthodoxie.
Auch bezog Semler mit seinen Thesen eine deutliche Stellung gegen Voltaire und d'Holbach.
Im Jahre 1771 erschien sein Hauptwerk »GND:"important">Abhandlung von freier Untersuchung des Kanons«. Dort stellte er den göttlichen Ursprung des Kanons in Frage und erklärte, dass dieser durch historische Bedingtheiten entstanden sei. So trat der historische Entstehungsprozess in den Vordergrund. Er vertrat auch die Auffassung, dass die Texte erst spät nach den eigentlichen Ereignissen entstanden seien. Es gab nach seiner Ansicht in den Texten Fehler Wiedersprüche und Zusätze. Für ihn hatte dies zur Folge, dass die Schrift zwar das Wort Gottes enthalte, jedoch selbst nicht mehr das Gotteswort darstelle. Er wieß deshalb die orthodoxe Verbalinspiration zurück.
Der Theologe entwickelte die Forderung nach einer kritischen Entwicklungsgeschichte der Schrift. Dabei müsse man die historischen Bedingungen deutlich darstellen. So sei das Neue Testament durch Akkommodation – als eine Anpassung von Jesus an den Verstehenshorizont der damaligen Menschen – entstanden. So könne man einzelne Aussagen nicht unkritisch in die heutige Zeit übertragen. Schließlich wurden auch die ersten Schriften des Christentums im zweiten Jahrhundert aufgesetzt und bis dahin wurde die Geschichte mündlich überliefert.
Auch auf dem Gebiet der neutestamentarischen Textkritik machte sich Semler einen Namen. Er nutzte den von Albrecht Bengel () übersetzten griechischen Text und führte diesen kritisch weiter. Er behandelte Fragen der Echtheit und Unechtheit einzelner Passagen sowie zur Originalität der Textquelle hat sich der Theologe in mehreren Schriften ausgelassen, wie zum Beispiel in sener Publikation »GND:"important">Dissertatio, quod Paulus epistolam ad Hebraeos graece scripserit « aus dem Jahre 1762 oder »GND:"important">Dissertatio de tempore, quo epistola ad Galatas scripta fuerit« aus dem Jahre 1767.
Für Semler war die Theologie zum einen in eine öffentlich-wisschenschaftliche und einem privaten lebendigen religiösen Teil aufgeteilt. So ist die private Religiösität eine dogmenfreie aber emotinale innerliche Religion, die ein mündiges Individuum ohne eine Konfession ausleben könne. Die öffentliche Religion hingegen ist eine notwendige kirchliche Form, eine äußerliche Religion, die sich der Dogmen und überlieferten Traditionen bediene. Auf diese Weise konnte der liberal eingestellte Semler, selbst dem preußischen Religionsedikt aus der Feder Wöllners aus dem Jahre 1788 zustimmen.
Seine Anhänger bedauerten jedoch seinen Wechsel zur Orthodoxie, während die Orthodoxen gegen die er 30 Jahre lang arbeitete, wollten von den Gelehrten nichts wissen. So stand er an seinem Lebensabend wissenschaftlich vereinsamt dar und beschäftigte sich selbst mit Studien zur Alchimie. An der Diskussion im Kampfe der Prinzipien gegen den Rationalismus Immanuel Kants gegen die theologische Aufklärung beteiligte sich Johann Salomo Semler nicht mehr.
Semler selbst schrieb viel und zu unterschiedlichsten Themen, doch war sein Stil eher holperig und durchzog sich in seinen mehr als 270 veröffentlichten Arbeiten durchgängig.
Zu seinen Studenten gehörte der spätere Heidelberger Theologe Johann Friedrich Abegg (1765-1840)
Der Theologe Johann Samuel Semler starb am 14.03.1791 in Halle an der Saale. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Stadtgottesacker.
Schriften, Aufsätze andere Beiträge
Betreute Dissertationen
- Dissertatio historico-theologica De regeneratione monastica ad illustrandos libros symbolicos. Resp. M. C. G. Weissig. Halae 1754 (dass. in dt. Übers. auch abgedr. in: Eigne historische theologische Abhandlungen, 1760, w.o.)
- Dissertatio historico-hermeneutica De VII. regulis Tychonii ad interpretandam S.S. Auct. J. L. F. Sybel. Halae 1756
- Dissertatio theologica De imagine divina in homine per lapsum perdita. Auct. Th. J. Ditmar. Halae 1757
- Commentatio theologica De actionibus indifferentibus. Auct. P. L. Chrysander. Halae 1757
- Dissertatio theologica De praestantia theologiae acroamaticae prae sic dicta biblica. Auct. J. Th. A. Jockenack. Halae 1758
- Dissertatio theologica De argumentis pro animae immortalitate in veteri testamento. Auct. J. A. Stelling. Halae 1758
- Specimen academicum De cautione circa mysticorum terminos insolentes ipsisque proprios adhibenda. Auct. J. Kirckhefer. Halae 1758
- Commentatio De infelicitate hominum praesenti, teste contra naturalismum, pro illa recuperandae salutis via, quam Christi doctrina ostendit. Auct. R. Fr. O. Heinzelmann. Halae 1759
- Dissertatio historica De Christi ad Abgarum epistola. Auct. J. E. Chr. Heine. Halae 1759; dass., Editio altera. Halae 1768
- Dissertatio Sistens coniecturas criticas de aetate codicis Alexandrini. Auct. A. G. Jorke. Halae 1759
- Dissertatio theologica De peccato in spiritum sanctum. Auct. G. Chr. Fastenau. Halae 1759
- Commentatio theologica De imagine divina in humana Christi natura. Auct. C. Chr. Thime. Halae 1760
- Dissertatio historico-theologica De mysticarum interpretationum studio ab Aegyptiis patribus maxime repetendo, hodie parum utili. Auct. J. Chr. Cöster. Halae 1760
- Dissertatio theologico-hermeneutica De daemoniacis quorum in Evangeliis fit mentio. Resp. Chr. E. Betke. Halae 1760
- Edito altera. Halae 1769
- [Dritte Auflage]. Halae 1775
- [Vierte Auflage] u.d.T.: Ioannis Salomonis Semleri commentatio de daemoniacis quorum in N.T. fit mentio. Editio quarta multo iam auctior. Halae 1779
- Dissertatio philologico-theologica Quod graece epistolam ad Hebraeos Paulus exaraverit. Auct. C. G. Neidel. Halae 1761
- Dissertatio historico-ecclesiastica De primis initiis Christianae inter Russos religionis. Auct. J. Schultcordes. Halae 1762
- Specimen primum Antiquitatum hermeneuticarum ex Tertulliano, quibus N. Test. loca quaedam illustrantur. Auct. J. Fr. Kipp. Halae 1765
- Dissertatio historico-exegetica De tempore, quo scripta fuerit epistola Pauli ad Galatas. Resp. J. G. A. Letsch. Halae 1767; dass., Editio altera 1768
- Dissertatio historico-exegetica De tempore quo scripta fuerit epistola Pauli ad Romanos. Auct. Chr. E. Kühze. Halae 1767; 261) Dissertatio historico-hermeneutica De duplici epistolae ad Romanos appendice capite XV, XVI. Auct. J. B. G. Keggermann. Halae 1767
- Dissertatio historico-exegetica Initia societatis Christianae Antiochiae ad illustrationem actorum XI, 19 seqq. Auct. Fr. W. Noeldechen. Halae 1767
- Dissertatio theologica Loci theologici e Leone M. Pontific. Rom. collecti. Auct. J. J. Griesbach. Halae 1768
- Disputatio theologica Rebaptizatos fuisse de quibus agitur Act. XVIII, V. Auct. J. Fr. Barthold. Halae 1769
- Dissertatio hermeneutico-dogmatica In Matth. V, 17. Auct. C. E. Brun. Halae 1770
- Dissertatio theologico-hermeneutica De discrimine notionum vulgarium et christianarum in libris N.T. observando. Auct. Chr. G. Schwartz. Halae 1770
- Dissertatio historico-ecclesiastica De propagata per Bonifacium inter Germanos religione christiana. Auct. G. D. Hanisch. Halae 1770
- Dissertatio De jure principium circa sacra imprimis Germaniae, praesertim ex monumentis sec. XI. derivato. Auct. I. F. Delius. Halae 1770
- Dissertatio Carmina quaedam apostolica quibus evidentissime demonstratur servatorum nostrum Jesum Christum esse verum Deum et verum hominem. Auct. J. S. Klein. Halae 1772
- Dissertatio quaedam apostolica quibus evidentissime demonstratur servatorem nostrum Jesum Christum esse Paulo auctore verum Deum et verum hominem. Dissertatio secunda. Auct. C. G. Schultze. Halae 1775
- Disputatio theologica Quae spiritum sanctum recte describi personam ostendit, et quasdam alias these subnexes. Auct. H. O. C. Kruiger. Halae 1776
- Disputatio theologica De discrimine inter ΣAPKIKOYΣ et ΠNEYMATIKOYΣ. Auct. I. Th. Vogt. Halae 1778
- Specimen Illustrationis capitis primi epistolae ad Hebraeos. Auct. C. I. Scholze. Halae 1785. - III. Neudrucke ( Auswahl): Versuch, den Gebrauch der Quellen in der Staats- und Kirchengeschichte der mitlern Zeiten zu erleichtern.